

046
PISTE.DEAUF DER PISTE
| HIPHOP & R‘N’B
KOLUMNE
FALK SCHACHT
Dieser Monat ist ein trauriger Monat
für HipHop und Rap: Der Kleine Don-
ner schließt seine Pforten. Damit verliert
Hamburg eine der wichtigsten Instituti-
onen für die Szene. Den Nachbarn sei
Dank. Nicht! Geplant ist eine Wiederer-
öffnung an einem anderen Ort. Hoffen
wir, dass es funkti-
oniert und nicht zu
lange dauert (der
Mojo - Komplex).
Zum Glück gibt
es gute Konzerte
diesen Monat –
und natürlich gibt
es mehr, als ich
hier präsentieren
kann. Neben den dreien die hier inten-
siver vorgestellt werden, sollte man auch
dringend folgende Veranstaltungen be-
suchen:
Der Wettermann Evidence, seines Zei-
chens Mitglied der Dilated Peoples,
spielt am 19. November um 20 Uhr im
Logo.
Lakmann wiederum ist eine deutsche
Rap-Legende von der Band Creutzfeld
& Jakob, der inzwischen eine Solokar-
riere am laufen hat. Er spielt Samstag,
den 25. November, um 20 Uhr im Waa-
genbau.
Und Donnerstag, den 16. November,
kann man die drei Nerds des Radio Nu-
kular Podcasts live auf der Bühne erle-
ben. Um 20 Uhr in der Fabrik Altona.
Es kann dann um alles und noch mehr
gehen! Hauptsache, es ist nerdig und
hat etwas mit der Popkultur der 90er zu
tun. Ob Videogames, Songs, Serien, Fil-
me oder Gimmicks – diese Jungs lassen
nichts aus und erzählen davon.
Goldroger ist so etwas wie die logische 2017er Hippie-Fortsetzung des
Freundeskreises. Deren Bandbreite in ihrem Sound umfasste neben klassi-
schen Eastcoast Rap auch RnB, Reagge, Rock, Soul und Jazz.
Bei Goldroger sind das konkret seine Einflüsse durch Ska, Punk und Die
Ärzte. Letztendlich ist es dann Seeed und Jan Delay geschuldet, dass der junge Goldroger beim Rappen gelandet
ist. Auch wenn er damals mit dem vorherrschenden Gangsta Rap Sound wenig anfangen kann, fasziniert ihn das
Spiel mit den Worten. Er entwickelt dadurch einen Rap-Stil, der an einen Kurzgeschichten-Erzähler erinnert. Fast
schon Slam Poetry artig. Nur mit viel mehr Rapper-Attitüde dabei.
Exzessive Übertreibungen sind nicht sein Ding. Er ist lieber ehrlich und auf dem Boden geblieben. Da er sich nicht
festlegen möchte, was seinen Sound betrifft, experimentiert er gern viel herum. Sein letztes Album „Avrakadavra“
ist zum Beispiel mit seinem trippy psychadelic Sound eine Hommage an deutschen Kraut und Acid Rock der 70er
Jahre. Das Ungewöhnliche an diesem Peter Pan ist, dass er gefühlt eine Art Erwachsenen-Rap macht – allerdings
ohne den Anspruch zu erheben, Erwachsenen-Rap zu sein. Was irgendwie sehr erwachsen, weil ehrlich ist. Das
kombiniert der junge Mann mit einer unbändigen Live-Energie, die seine Konzerte zu wahren Happenings macht.
Sind wir nicht alle ein bisschen Goldroger?
Juicy Gay war der erste offen schwule Rapper Deutschlands der ge-
stehen musste das er gar nicht schwul ist. Syntax Error? Dann einmal
bitte den Rechner neu starten. Es war einmal ein Rapper mit dem Namen Kellerkind. Der machte 90s Rucksack
Battle Rap. Dann tauchte diese neue aufregende Musik mit dem Namen Trap auf. Das Kellerkind wollte sich darin
ausprobieren. Allerdings brauchte es dazu auch einen trappigen Namen. In Anlehnung an Juicy J entscheidet man
sich für den Scherznamen Juicy Gay. Nach dem man einige Songs online gestellt hat, meldete sich ein gewisser
Money Boy der sich bis dahin immer wieder mal den Vorwurf der Homophobie anhören musste, und fragt Juicy
Gay nach einen Feature, was letztendlich auch erscheint. In den folgenden Monaten macht das Kellerkind unter
dem Namen Juicy Gay weiter und veröffentlicht z.B. schwulen Hymnen wie „Zeig mir deinen Butt“. Ergänzt wird
das ganze durch hochpolitische Songs wie z.B. „Musik ist Haram“ in dem der IS und Deso Dogg verarscht wer-
den.
Der Zug rollte und irgendwann wurden die Medien aufmerksam. Und die stellen plötzlich Fragen nach seiner
Rolle als offen schwuler Rapper in der Szene. Und das Kellerkind antwortete als Juicy Gay der erste offen schwule
Rapper. Das wird allerdings nach 1 Jahr zum Problem, als er nämlich die Liebe seinen Lebens kennen lernt - eine
Frau. Bei aller möglichen Kritik, man muss sich vergegenwärtigen, das Juicy zwar geschwindelt hat, aber dafür war
er bereit das Leben eines offen schwulen Rappers in der deutschen HipHop auf sich zu nehmen. Was eine menge
Mut erfordert. Habe ich schon gesagt das Juicy Gay Live eine absolute macht ist? Nein oder? Musste ich hier aber
noch dringend erwähnen!!!
Das hier ist ein lupenreines 90er Underground Rap Gemetzel, das seinesgleichen
sucht. Azudemsk ist nicht nur Graffiti-Maler, sondern auch ein Realkeeper, wie er nur
im HipHop Dogma Handbuch zu finden ist. Wenn in Deutschland Anfang der 00er
Jahre nicht das Bedürfnis gewachsen wäre, den elektronischen Sound von DMX
aufzunehmen. Oder man versucht hätte, im Club zu landen, indem man den Sound von Pharell Williams und den
Neptunes imitiert. Dann wäre es ziemlich genau so weitergegangen, wie das, was Azudemsk heute auf Alben
wie „Schlicht & Ergreifend“ veranstaltet. Lord Folter steht dem in Nichts nach – was er auf seinem Album „Rogue“
beweist. Wer also eine Zeitreise in die 90er machen will, ist hier perfekt aufgehoben – und sollte sich jetzt schon
mal Tickets bestellen!
GOLDROGER
15. NOVEMBER | WAAGENBAU
JUICY
GAY
16. NOVEMBER I UEBEL & GEFÄHRLICH
AZUDEMSK
& LORD FOLTER
17. NOVEMBER I WAAGENBAU
© Delia Baum