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PISTE.DEAUF DER PISTE
| ELEKTRO & HOUSE
WAS TREIBT DICH NACH HAMBURG, FLORIAN,
UND WO KOMMST DU URSPRÜNGLICH HER?
Florian: Hallo Hamburg! Genau wie Christoph ent-
stamme ich aus Jena, einer kleinen, weltoffenen und
mit Dauerbaustellen gesegneten Studentenstadt in Thü-
ringen, umgeben von Bergen, Wäldern und Radarfal-
len. Was man der Stadt jedoch lassen muss, ist ihre
stetig schlaflose Kultur. Das Angebot war für die Stadt-
größe schon oft überproportional breit und qualitativ
treffsicher. Mich hat zum Beispiel damals ein Besuch im
Kassablanca Jena zur elektronischen Musik geführt. Ein
Abend, an dem man happy war mit 16 an den gro-
ßen Jungs der Tür vorbeizukommen, um letztlich von
einem grimmig dreinschauenden, aber flauschigen
DJ-Duo geplättet zu werden. Tags darauf war ich dann
auch schon glühender Fan dieser sogenannten „Wigh-
nomy Brothers“. Aber auch von der völlig neuen kreati-
ven Vielfalt, die einem die elektronische Musik auf ein-
mal bot. Aktuell bin ich, nach meinem Studium in
Dresden, im April nach Hamburg gezogen und ver-
diene hier nun meine Fischbrötchen. Ein Umzug mit
meiner Herzdame war schon länger geplant und wir
freuen uns im Nachhinein total, dass die Wahl damals
auf diese verdammt schöne Stadt gefallen ist.
WER CHRISTOPH KENNT UND IHN MAL
BEGEISTERT ERZÄHLEN GEHÖRT HAT, DER
WIRD WISSEN, DASS DEUTLICH, ABER GELIEBT
SYMPATHISCH DER THÜRINGER IMMER
WIEDER DURCHSCHEINT. HEIMAT AUCH
FÜR DICH CHRISTOPH – ABER DU BIST SCHON
LANGE IN HAMBURG. WANN HAT ES
DICH HIERHER VERSCHLAGEN, UND WAS
TREIBST DU HEUTE IM „WAHREN LEBEN“?
Christoph: Nach der Schule stand Studieren auf mei-
nem Plan. Inhaltlich schwebte mir grob eine Richtung
vor, aber die wesentliche Prämisse bei der Wahl des
Studienortes lautete: „Eine große Stadt, in der ordent-
lich was los ist“. Mit diesem Vorhaben im Kopf landete
ich prompt in Wedel (lacht). Ich habe früher viel Suns-
hine Live gehört und hing immer neidisch vorm Radio,
wenn es wieder einmal Live-Übertragungen aus den
Clubs der Republik gab, in denen die Musik lief, die es
Jena und Umgebung nicht gab. Ich erinnere mich zum
Beispeil an eine Neujahrsübertragung aus dem Docks:
DJ Dean, Pulsedriver, Rocco – die Helden meiner
Jugend! Als ich dann in einer Liste der Hochschulen für
Medieninformatik auf Wedel klickte und auf der Karte
sah, dass das doch quasi fast direkt in Hamburg liegt,
ging alles ganz schnell. Dass ich von dort bis in die
Innenstadt aber eine knappe Stunde brauchen würde,
stellte ich erst später fest. So passiert es. Derweil lebe
ich aber im wirklichen Hamburg. Im „normalen Leben“
arbeite ich als Softwareentwickler und mittlerweile
habe ich die ersten zehn Jahre hier vollgemacht. Wie
die Zeit rennt! Ich freue mich jedenfalls auf die nächs-
ten zehn. Ist schön hier!
FLORIAN, DU BETREIBST DEIN EIGENES LABEL
„DEEP WITH YOU RECORDS“, HAST ABER ZUM
BEISPIEL DEINE VORLETZTE EP AUCH AUF
SASCHA BRAEMERS LABEL WHATIPLAY RELEA-
SED. SICHER WIRST DU DAS LABEL IN HAMBURG
WEITERFÜHREN, ODER?
Florian: Ein paar Jahre nachdem mein langjähriger
Freund und Mentor Sebastian Masek (Dynanim) unser
mittlerweile zehn Jahre altes Label „Deep With You“ in
Jena ins Leben gerufen hatte, entschieden wir uns
dazu, auch ein Recordlabel daraus zu gründen. Als
Producer aus Leidenschaft bastele ich nun schon seit
ca. elf Jahren selbst. Nachdem ich selbst ein paar
auch über deutsche Grenzen hinaus erfolgreiche Veröf-
fentlichungen hatte, durfte ich auch auf Whatiplay
debütieren, worüber ich mich sehr gefreut habe. Ein
cooles Team und mit ebenso viel Leidenschaft wie man
selbst. Leider ist es mittlerweile zeitlich gar nicht mehr
so einfach, sich um die Organisation der hauseigenen
Releases und die dazugehörigen Vor- und Nachpro-
zesse zu kümmern, aber das geht letztlich ja vielen
kleinen Labels so. Von daher bin ich echt stolz über die
vielen tollen Künstler, die uns und unserem Label-Stil
gern als Plattform für Ihre Musik genutzt haben und
auch in Zukunft nutzen werden. Das Herzblut wird hier
definitiv weiter fließen.
6 WORTE, DIE EUREN SOUND BESCHREIBEN?
IHR DÜRFT ALSO DUO-INTERVIEWPARTNER
AUCH GERN MIT 3 UND 3 ANTWORTEN!
Florian: druckvoll, analog, kratzig.
Christoph: groovig, melodisch, anregend.
RADIATE – EIN STICHWORT, DAS EUCH
ERFREUEN DÜRFTE. FÜR HAMBURG WIRD ES
AUF DEN ERSTEN BLICK NUR EINE NEUE VERAN-
STALTUNGSREIHE SEIN. IHR HABT EUCH ABER
EINIGE GEDANKEN GEMACHT, DENN ES
STECKT MEHR DAHINTER. SOWEIT ICH WEISS
AUCH EIN WUNSCH. NACH DIESER ANKÜNDI-
GUNG DÜRFT IHR JETZT LIEFERN ...
Christoph: Nachdem wir in der Vergangenheit unab-
hängig voneinander an verschiedenen Projekten betei-
ligt waren, geht jetzt zunächst einmal der ersteWunsch
in Erfüllung – denn wir haben es endlich geschafft,
gemeinsam eine Veranstaltung auf die Beine zu stellen.
An der Umsetzung der nächstenWünsche arbeiten wir
jetzt. Wir wollen mit „Radiate“ diejenigen Acts nach
Hamburg holen, deren Tracks zu den Lieblingen unse-
rer Playlisten gehören. Acts, die wir selbst noch nicht
live erlebt haben und Acts, die bestenfalls noch nicht in
Hamburg zu hören waren. Anstatt auf Partys mit unse-
rem Wunsch-Line-up zu warten, schmeißen wir sie ein-
fach selber.
WAS WÜRDET IHR EUCH AKTUELL VON ODER
FÜR DIE SZENE IN HAMBURG WÜNSCHEN?
WAS BRINGT FLORIAN ALS NEUZUGANG VON
AUSSEN – NOCH NICHT BETRIEBSBLIND, SON-
DERN VIELLEICHT MIT NEUEN IDEEN IN DER
HINTERTASCHE?
Florian: Hamburg hat glücklicherweise eine tolle und
sehr lebendige elektronische Musikkultur, welche von
vielen tatkräftigen Charakteren angetrieben wird,
denen dafür viel Respekt gebührt. Als normaler Gast –
und dabei spreche ich von mir selbst – empfinde ich
nur leider einige Male Line-ups und Headliner so, als
würde ich sie jedes Wochenende lesen. Außer Frage
dass es sich dabei um talentierte Artists handelt, die
einen guten Sound spielen und sicher zurecht von den
Veranstaltern erneut gebucht werden. Dennoch, wenn
ich, wie so oft, aufmerksam die Line-ups nach meinem
Sound fürs Wochenende absuche, empfinde ich man-
che Veranstaltungen aufgrund der häufig wiederkeh-
renden Namen schon nach dem ersten Lesen etwas
uninteressant.
Christoph: Ich würde mir von den großen, denen, die
die Mittel dazu haben, wünschen, dass sie sich mehr
zutrauen und auch mal den Schritt ins Ungewisse
wagen, um Neues oder Alternativen anzubieten.
Andererseits stelle ich mir gerade die Frage, ob das
überhaupt deren Aufgabe ist. Wahrscheinlich sollte
man einfach gar nicht so viel mäkeln oder fordern –
und stattdessen lieber selber aktiv werden und seinen
Teil zum großen Ganzen beitragen. Innerhalb der letz-
ten zwei Jahre gab es durchaus einige Bewegung
abseits der Hauptstraßen, und es haben sich interes-
sante neue Wege entwickelt. Das finde ich gut so!
Vielfalt schafft Abwechslung und das treibt die Gesam-
tentwicklung voran.
6 FRAGEN AN ...
CHRISTOPH
KIPPING &
FLORIAN
FELSCH
Christoph Kipping dürfte in der Hamburger
DJ-Szene sicher bekannt sein. Als Teil der Stille
Wasser Crew, die lange Zeit für ausgewählte
und gute Open Airs verantwortlich war, hat er
schon jeden Club von innen gesehen. Spielend.
Florian Felsch dagegen ist ein neues Gesicht in
Hamburg, jedoch nicht unbewandert in der Sze-
ne seiner Heimat.