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KULTUR

| UDO LINDENBERG

022

PISTE.DE

In einem Alter, in dem andere Menschen im Park die Enten füttern, hat

Udo Lindenberg einen Status erreicht, der nur wenigen Rockmusikern

vergönnt ist: Er wird geliebt. Er ist einer, der – wie er selbst sagt - „von

der Straße kommt“, einer, der allabendlich ´rausgeht auf die Bühne,

um mit seinem Publikum zu feiern. Wer hin und wieder im Hamburger

Hotel „Atlantic“ zu tun hat, wird ihm schon begegnet sein. Da sitzt er

dann mit seiner Zigarre an der Bar oder auch ´mal im (ziemlich ele-

ganten) Vorraum der Herrentoilette und schaut, was sich im „weißen

Schloss“ gerade so abspielt. Wenn er erkannt wird, ist immer Zeit für

ein paar Worte oder ein Selfie, alles ganz entspannt. Und genau das

ist der Punkt: Der Mann ist absolut authentisch. Ein Lichtblick in einer

Zeit, die ansonsten statt von Sex, Drugs & Rock ´n ´ Roll von Lactosein-

toleranz, veganem Leben und Helene Fischer geprägt ist.

Wobei es eine lange Zeit überhaupt nicht nach Lichtblick aussah, son-

dern vielmehr zappenduster. Nach den heute schon legendären Alben

der 70er und den erfolgreichen 80er Jahren folgten in den 90ern Plat-

ten, denen selbst treueste Fans nicht viel abgewinnen konnten. Als ihn

Medien und Fans schon abgeschrieben hatten, meldete er sich 2008

mit „Stark wie zwei“ zurück. Acht Jahre ist das Album inzwischen

schon wieder alt und hat dennoch kein bisschen Staub angesetzt.

Blieb die bange Frage, ob das eine einmalige Sache bleiben würde

oder ob man so einen Geniestreich tatsächlich wiederholen kann. Seit

April diesen Jahres ist auch diese Frage eindeutig geklärt: Ja, man

kann! „Stärker als die Zeit“ steht seinem Vorgänger in nicht allzu vie-

len Dingen nach. Das wird auch beim Konzert im Hamburger Volks-

parkstadion klar. Elastisch wie eh und je steht Udo auf der Bühne –

kaum zu glauben, dass der Mann schon 70 Jahre alt sein soll. Aber

auch an der „Panikfamilie“ scheint die Zeit spurlos vorübergegangen

zu sein. Drummer Bertram Engel, Bassist Steffi Stephan und Gitarrist

Hannes Bauer sind nach wie vor an Bord, „43 Jahre betreutes

Rocken“, wie Udo sagt.

Auch einer der wichtigsten Songs des Abends hat schon seine 30 Jähr-

chen auf dem Buckel, ohne an Aktualität eingebüßt zu haben: „Nein,

sie brauchen keinen Führer, nein, sie können's jetzt auch alleine.

Nein, sie brauchen ihn nicht mehr, diese neuen Nazi-Schweine. Und

keine braune Uniform, die Klamotten sind jetzt bunt, doch die gleiche

kalte Kotze schwappt ihnen wieder aus dem Mund...“ Recht hat er.

Auch wenn es die Angesprochenen wohl kaum hören werden – die

Vollidioten, die vor Asylantenheimen herumpöbeln, sind mit einiger Si-

cherheit keine Lindenberg-Fans. Ich war gerade ´mal ein Teenager, als

Udo den ersten Teil seiner Karriere startete. Und als ich – inzwischen

Journalist – Udo um die Jahrtausendwende kennen gelernt habe, back-

stage bei einem absolut trostlosen Konzert in Wuppertal, mitten in sei-

ner „schwarzen Phase“, hat mich das sehr berührt. Bin froh, dass er

wieder zurück ist. Und unlängst angekündigt hat, bis 100 weiterma-

chen zu wollen. Dann bin ich 82 und werde mit unser aller Panikprä-

sidenten mit ´nem Bier aus der Schnabeltasse anstoßen – im eleganten

Vorraum des Männerklos im „Atlantic“.

Story: Markus Becker

UDO

LINDENBERG

IN HAMBURG SPIELT ´NE RENTNERBAND

Credit: Andreas Bonné, promistadt.de