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PISTE.DEKULTUR
| HIPHOP-SPECIAL
Die Rap-Szene wird dominiert von
einer Masse an Testosteron triefen-
den Alpha-Männchen – und die
Frauen spielen meist nur als
schmückendes Beiwerk in Videos
und auf Covern eine Rolle. Was
die genauen Hintergründe für die-
sen emanzipatorischen Missstand
sind – klären wir in einem ande-
ren Artikel. Denn hier und heute
geht es um die Frauen, die sich
hinters Mikrofon begeben, um
ihre ganz persönlichen Geschich-
ten und ihre Blickwinkel auf die
Probleme unsere Zeit zu erzählen.
Die Urmutter aller Rapperinnen in
Deutschland ist dabei Cora E. Sie
kam in den frühen 80ern über
Graffiti zum Breaken und gewann
sogar einen B-Girl Wettbewerb,
um dann Mitte der 80er das Rap-
pen zu beginnen. Ihre Verbunden-
heit mit der HipHop-Kultur zeigt
auch ihr Titel „Zulu Queen“, den
sie bereits in den 80er Jahren an-
nahm – und der sie als Mitglied
der
Zulu-Nation
ausweist.
Der weltweit bedeutendsten
HipHop-Organisation aus den
USA.
Die deutsche HipHop-Szene exis-
tierte damals nur im Untergrund,
unter Ausschluss der Öffentlich-
keit. In dieser Szene machte
Cora E. ihre ersten Schritte auf
den HipHop-Jam-Bühnen Deutsch-
lands. 1993 veröffentlichte sie
dann ihre erste Maxi-Single
„Könnt ihr mich hör‘n?“ auf dem
Hamburger Indie Label Buback
Records. Etwas später gesellte
sich dann Sabrina Setlur dazu,
deren Umfeld mit dem Rödelheim
Hartreim Projekt damals eher als
„sell out“ galt und von der Under-
grund-Szene skeptisch beäugt
wurde. Brixx aus Kassel wiederum
war wie Cora E. – ein richtiges
„Underground Girl. Sie besuchte
die HipHop-Jams der 90er Jahre.
Ende der 90er konnte sie aller-
dings nicht schnell genug aus Kas-
sel raus, um in New York endlich
ihre Vorstellung von „richtigem
Rap“ zu produzieren und auch auf
einem Major Label zu veröffentli-
chen. Zu der Zeit malte die späte-
re Produzentin Melbeatz noch
Züge in Berliner Yards. Wo sie
sich zeitweise auch schon mal mit
anderen Graffiti-Malern prügelte
oder vor Bahnpolizisten weg lief,
um nicht für ihre Kunst vor Gericht
gestellt zu werden.
Etwas später, mitten im ersten
Deutschrap-Hype Ende der 90er,
weckte die Hamburgerin Nina
MC die Hoffnung in vielen deut-
schen Major Plattenfirmen. Wenn
die rappenden Männer aus Ham-
burg so viel Erfolg haben, dann ist
es doch nur logisch, dass auch
eine Frau aus Hamburg Erfolg ha-
ben muss. Dieselben Erwartungen
steckte man parallel in Stuttgart,
damals die zweite deutsche Hip-
Hop-Hauptstadt, in Meli von der
Crew Skillz En Masse. Der Res-
pekt der Untergrund-Szene war
diesen Frauen sicher – allerdings
konnte relevante kommerzielle Er-
folge nur die am wenigsten mit
der HipHop-Szene verbundene
Sabrina Setlur erlangen.
Auf diesen Pfaden zur Geschichte
folgten bis zur Mitte der 00er Jah-
re Frauen wie Pyranja, Fiva, Lady
Bitch Ray, Kitty Kat, SheRaw und
von den 10er Jahren bis heute
Vist, Naya Isso, ESMaticx, Ebow,
Catee, Pain, Bahar, Lumara, Ta-
iga Trece, Leila Akinyi, Antifuchs,
Namika und viele mehr. Es sind
zu viele, um sie alle zu nennen –
und doch zu wenige, die einen
bleibenden Eindruck hinterlassen
durften. Doch in letzter Zeit ist fest-
zustellen, dass eine langsame
Besserung der Situation eintritt.
Immer mehr rappende Frauen tau-
chen auf und sie schaffen es, sich
zu etablieren. Zum Beispel Ace
Tee oder Fantasma aus Hamburg,
die wir in der letzten PISTE vorge-
stellt haben.
Die zurzeit sechs spannends-
ten Frauen der deutschen
Rap-Szene porträtieren wir in
dieser Ausgabe ...
FRAUEN IN DER HIPHOP-SZENE