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PISTE.DEKULTUR
| INTERVIEW
Getrennte Verbindungen, fehlender
Kontakt zur Realität, unzusammen-
hängende Narrationen. Das neue
Album von Jan Blomqvist heißt Dis-
connected, spielt aber in einer Zeit, die
eigentlich bestimmt ist vomGegenteil,
vom „connected“ sein. Wir trafen Jan
Blomqvist zum Interview.
piste:
ImOktober erscheint dein zwei-
tes Album „Disconnected“. Es ist in
drei Teilen im Laufes des Sommers
veröffentlicht worden und erscheint
nun im Herbst als gesamtes Album.
Was war deine Intention hinter der
Veröffentlichung in drei Parts?
Jan Blomqvist:
Eigentlich sind es ja vier
Parts, wenn man das Album mitzählt.
Und diese vier Releases gibt es, weil
vier unterschiedliche Orte für das
Album wichtig sind. Wir haben die
Tracks in Island, Kalifornien und Berlin
produziert. Die Idee genau das zu tun,
also an unterschiedlichen Orten zu ar-
beiten, um zu sehen welchen Einfluss
die Umgebung auf Musik, Stimmung
und Lyrics hat, ist am vierten Ort, in
New York entstanden. Dort habe ich
auch die Ideen der beiden Tracks von
„Part Three“ skizziert. Außerdem bin
ich davon überzeugt, dass es parado-
xerweise auch mehr Sinn macht für
die Gewichtung der einzelnen Songs,
wenn man sie in mehreren Teilen re-
leased. Keiner der Tracks geht so
unter, keiner ist bloß Lückenfüller, wie
es bei einem Album leider oft der Fall
ist. Und wenn man sein Album schon
Disconnected nennt, dann spricht
nichts dagegen auch direkt ein Kon-
zeptalbum daraus zu machen. Lyrics,
Musik, Artwork… alles wurde zum
Thema Disconnected geschrieben. Ich
finde es perfekt, dass die vier Releases
nun auch „disconnected” erschienen
sind.
piste:
Du hast dein Album in verschie-
densten Locations auf der ganzen
Welt geschrieben, aufgenommen und
produziert. Wie haben dich diese
Spots inspiriert?
Jan Blomqvist:
Der größte Einfluss,
den die Arbeit an unterschiedlichen
Orten für das Album und sein Thema
hatte, war die Einsicht, dass das Dis-
connected-Sein an sich weder positiv
noch negativ zu werten ist, sondern
diese Wertung immer erst durch den
Ort entsteht, an dem man sich befin-
det. In der Einsamkeit Islands oder der
Wüste Kaliforniens ist man per se „dis-
connected“ und damit ist es auch nicht
mehr ganz so dringend erstrebens-
wert sich „disconnecten“ zu müssen,
wie es beispielsweise in New York
oder Berlin der Fall ist. Umgekehrt gilt
natürlich das Gleiche. „Disconnected“
sein kann sowohl (Er-)Lösung als auch
Fluch(t) bedeuten. Das war uns vorher
in dieser Tragweite nicht bewusst, ob-
wohl wir natürlich beides, also Vor-
und Nachteile, bereits voll und ganz
erfahren haben. Etwas leben und sich
dessen bewusst sein, das ist nicht das
gleiche. Um in Ruhe besonnen arbei-
ten zu können, ist es natürlich hilfreich,
wenn man Orte wählt, in denen man
völlig abgeschieden vom Stress und
der Schnelllebigkeit unserer Zeit ist.
Deswegen waren Island und die High
Desert in Kalifornien optimale Orte für
dieses Album. Nicht nur für dieses.
Vielleicht kehre ich auch irgendwann
dorthin zurück. Und Berlin und New
York sind die beiden Städte, die mich
weltweit mit Abstand am meisten in-
spirieren. Diesen Kontrast zur Sand-
bzw. Eiswüste fand ich und finde ich
immer noch sehr spannend.
piste:
Was möchtest du der digitalen
Generation mit „Disconnected”
sagen?
Jan Blomqvist:
: „Am Ende möchte ich
niemanden belehren. Ich weiß ja nicht
alles. Was ich allerdings weiß ist, dass
mich das Thema dieser neuen virtuel-
len Welt, die da neben dem anderen
Leben entstanden ist, sehr beschäftigt
hat und es auch immer noch tut. Es
hat lange gedauert, bis ich mich ein-
gefunden habe und einen Umgang
mit den neuen Arten der Kommunika-
tion und der komplexen, mehrschich-
tigen Verknüpfung in alle Richtungen
zu finden. Sich mit dem Thema zu be-
schäftigen und nicht völlig unbedarft
und unbedacht zu sein, ist vielleicht
das Einzige, das ich Menschen mit auf
den Weg geben möchte. Und wenn
ich das bei dem ein oder anderen
über das Album schaffe, dann freue
ich mich darüber. Am Ende muss aber
doch jeder seinen eigenen Weg fin-
den. Sorry, das ist sehr zen. So bin ich
eigentlich gar nicht. Aber am Ende ist
es aber doch wahr. Das Album soll
natürlich auch die Tücken unserer Zeit
widerspiegeln, das ist ja immer ir-
gendwie auch Anspruch eines Musi-
kers, denke ich. Ob das dann so
funktioniert und Jeder genau das ver-
steht, was das Album sagen will, ist
eine ganz andere Frage und soll auch
überhaupt nicht beantwortet werden.
Das Album hat viel zu erzählen ohne
sich zu wichtig zu nehmen, und es ist
jetzt vor allem erstmal da und es bleibt
für immer. Und Jeder kann damit ma-
chen was er/sie will. Den Gedanken
mag ich.
piste:
Wie hat sich dein Sound seit der
ersten EP auf Stil vor Talent zum aktu-
ellen Disconnected Album gewandelt?
Jan Blomqvist:
Stilistisch hat sich nicht
so viel verändert. Allerdings kommen
wir auf andere Art und Weise ans Ziel.
Wir produzieren mittlerweile fast aus-
schließlich analog. Das verändert na-
türlich den Sound. Der ist jetzt fetter als
vorher und mehr auf den Punkt. Und
es geht auch schneller. Wir müssen
nicht mehr ewig rumfrickeln bis wir zu-
frieden sind. Das ist zum einem dem
Equipment geschuldet, zum anderen
sind wir natürlich erfahrener. Wenn ich
Disconnected mit Remote Control ver-
gleiche, dann kann ich zusammenfas-
send sagen, dass sich das neue
Album insgesamt konzeptueller und
weniger experimentell anfühlt als
mein Debüt.
piste:
Muss man als Musiker heutzu-
tage ständig online sein und alles über
soziale Kanäle teilen?
Jan Blomqvist:
Diese Frage würde ich
ganz klar mit „Nein” beantworten.
Aber ich weiß, was du meinst. Es be-
steht ein großer Druck sich auf den
unterschiedlichen Kanälen darzustel-
len. Die Menschen, die deine Musik
hören, möchten dich kennen, möch-
ten Teil an deinem Leben haben. Das
ist zwar eine Illusion, aber auch die
muss man irgendwie bedienen. Da
die Balance zu finden zwischen dem
Musiker, der der Erwartung von außen
gerecht werden muss und dem Men-
schen, der ich privat bin und der we-
niger gern Lebensdetails nach außen
trägt, ist eine Aufgabe, die mir teil-
weise immer noch schwerfällt. Es er-
scheint mir deutlich einfacher, wenn
man sich ein Künstler-Ich zulegt, dass
sich sehr deutlich von dem eigentli-
chen Ich unterscheidet. Aber das ist
auch ziemlich schizo und am Ende
nicht authentisch. Ich habe auch die
Hoffnung, dass gerade Authentizität
am besten ankommt und die Men-
schen trotz der Verzerrungen, die die
Weiten des www mit sich bringen,
checken, was authentisch ist und was
nicht.“
JAN BLOMQVIST
DISCONNECTED