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MISCHA GOHLKE

IM INTERVIEW

Du bist von Geburt an Taubheit grenzend hörgeschä-

digt und trotzdem professioneller Musiker geworden.

Wie geht das und was macht ihr mit Deiner Band für

Musik?

Trotzdemoder gerade deswegen?! (lacht) Generell ist die

Hörwahrnehmung nicht statisch, sondern stets imWandel.

OhneHörgeräte bin ich fast taub.Mit Hörgeräten höre ich

ca. 50/60 Prozent von der Grundlautstärke, wobei Hö-

ren nicht gleich differenziertes Verstehen ist.Gerade imMit-

ten- und Hochtonbereich fehlen bei mir - auch mit Hörge-

räten - viele Frequenzbereiche und „normalerweise“

nehme ich Musik und Sprache als Klangbrei wahr. Span-

nend finde ich die wiederkehrende Erfahrung, dass ich

manchenMomenten fast alles verstehen kann, in anderen

Momentenwiederumsogut wie nichts. Da kommt man au-

tomatisch zu der Fragestellung, wieWahrnehmungen und

Realitäten überhaupt entstehen und kreiert werden. Und

wie unserGehirn generell soarbeitet, oder auch nicht?Die

große Aufgabe ist es also, sich immer wieder aufs Neue

der möglichst wertfreien und ergebnisoffenen Vielfalt an

Möglichkeiten hinzugeben. Dabei können wir Menschen

ganz schön begrenzt sein.Musik ist einwunderbaresMe-

dium, um persönliche Entwicklungsprozesse zu unterstüt-

zen, für die Bedürfnisse anderer zu sensibilisieren, Denk-

blockaden aufzudecken unddieGemeinschaftsgefühle zu

stärken.Mit meiner Band interpretierenwir Songs von den

beiden Legenden Stevie Ray Vaughan und Jimi Hendrix

undmachen eigene Songs querbeet durch verschiedenste

Musikrichtungen.

Du bist Initiator und Projektleiter von "Grenzen sind re-

lativ e.V.". Wie ist die Idee für die Plattform für Kultur,

Gesellschaft und Inklusion entstanden?

Nach vielen Jahren durcharbeiten, habe ichmich imSom-

mer 2011 ein wenig zurück gezogen, mein Leben reflek-

tiert undmir die Frage gestellt, wie ich die verschiedensten

Facetten des Seins unddes Tuns für mich persönlich stimmig

inkludieren kann. Dazu wollte ich mich gesellschaftspoli-

tisch positionieren undeinbringen. Diese Prozesse habe ich

schriftlich manifestiert und so ist mehr und mehr das strate-

gische Konzept von „Grenzen sind relativ“ entstanden.

And the rest is history. (lacht)

Was sind eure Ziele undwas macht ihr genau?

Letztlich geht es immer wieder umBewusstsein, welches in

persönlichen, zwischenmenschlichen undgesellschaftspo-

litischen SystemenAusdruck findet.Wir engagieren uns für

eine grundlegende gesamtgesellschaftliche Weiterent-

wicklung. ImSinne einer „neuen Beziehungskultur“ steht al-

les zu- undmiteinander in Beziehung undbedingt einander.

Derzeit sind wirWeltmeister im separierenden - scheinbar

greifbaren - Wahrnehmen, Handeln und Tun und elitären

konsumierbarenWohltätigkeitskultur-Entertainment-Promi-

Gehabe.Mit diversen Projekten, Veranstaltungen, Aktionen

undKampagnenwollenwir Impulse für ein neues inklusives

Miteinander frei setzen. ImKleinenwie imGroßen. Konkret

machenwir unter anderem spartenübergreifende Festivals

und Veranstaltungen, Aktionstage Inklusion in Schulen und

Universitäten, Netzwerkarbeit, Musikunterricht für Hörge-

schädigte, Workshops, Bandcamps sowie diverse Ko-

operationsprojekte. Undam18.11. werdenwir das Knust

rocken! :)

Ja, das „3. AndersSein Festival“ am18.11. imKnust ist

ganz aktuell.Was verbirgt sich dahinter?

Das Festival steht im Kontext mit unserer aktuellen Kampa-

gne „AndersSein vereint – Inklusionssong für Deutschland“.

Letztes Jahr haben wir ein aufwendiges Musikvideo mit

über 80 Protagonisten produziert, welches auf youtube zu

sehen und zu hören ist. Ziel ist esmit der "ganzheitlichen ge-

samtgesellschaftlichen Inklusion" in der Mitte der Gesell-

schaft anzukommen, für die Thematik zu sensibilisieren und

zu begeistern, Menschen, Netzwerke und Themen zu-

sammenzubringen und vor allemBasisarbeit zu leisten.

grenzensindrelativ.de

Aktivist, Projektmanager, Inklusionsbotschafter,

Dozent, Speaker, Musiker und Autor

INTERVIEW |

AUF DER PISTE

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PISTE.DE