piste Schwerin 07/2024

KULTUR 28 KULTUR | PISTE.DE Fotos: 1_©Zucchero INTERVIEW MIT ZUCCHERO ZU SEINER „OVERDOSE OF LOVE“- TOURNEE. START: 6.7.2024 Als einer der populärsten Bluesrock-Interpreten Italiens hat Zucchero alias Adelmo For- naciari bis heute mehr als 60 Millionen Tonträger verkauft und mit Weltstars wie Eric Clap- ton, Bono, Prince, Sting, Mark Knopfler und Keith Richards zusammengearbeitet. Er ist nicht nur der einzige Italiener, der 1994 am Woodstock-Festi- val teilnahm, sondern er wirkte auch an zahlreichen Veranstal- tungen für Nelson Mandela und am legendären Freddie Mercury Tribute von 1992 mit. Seine diesjährige Welttournee steht unter dem Motto „Over- dose of Love“. Der 68-jährige Sänger und Songschreiber er- zählte Olaf Neumann von sei- ner Kindheit, seinen Ängsten und dem Preis des Erfolges. Sie sind gerade auf der "Overdose Of Love"-Kon- zertreise. Ist diese Liebestour Ihre Antwort auf den Hass und Krieg der Gegenwart? Zucchero: Ja. Auch wenn Musik heute nicht mehr die revolutio- näre Kraft hat, die sie in den 1960er Jahren hatte, denke ich, dass sie gut für den Geist und die Seele ist. Haben Sie in Ihrer Kindheit viel Liebe erfahren? Zucchero: Ja, ich war von Liebe umgeben. Ich erinnere mich gut daran, wie mein Onkel „Gu- erra“, ein Maoist, mir sonntags sagte, ich solle Don Tajadela, den Dorfpriester, anrufen, und ich ging zu ihm und lud ihn zum Mittagessen ein. Nach dem Essen saßen er und Onkel „Gu- erra" auf einer Bank und re- deten über Politik. Nach einer Weile fingen sie an zu schreien, bis der „Don" wütend wegging. Aber am nächsten Sonntag war er wieder bei uns. Ja, alles be- gann mit Vittorina, einer Nach- barin von mir, die im Dorf ge- hänselt wurde, weil sie einen Minirock trug. Ich hatte mich in sie verliebt, weil sie sich nicht für die Gerüchte im Dorf inter- essierte. Denken Sie oft an Ihre Kind- heitserlebnisse zurück? Zucchero: Wenn ich mich ent- spannen will, denke ich oft an meine frühen Jahre in Ronco- cesi, einer kleinen Stadt in der Provinz Reggio Emilia, wo ich meine Kindheit verbracht habe. Vor einigen Jahren habe ich „Chocabeck" veröffentlicht, ein sehr autobiografisches Kon- zeptalbum, das von meiner Kindheit auf dem Land inspi- riert ist. Warum hat die Kunst die Kraft, uns Freude zu bringen, selbst in den dunkelsten Mo- menten? Zucchero: Kunst ist Schönheit, Harmonie. Ich denke, die Welt ist krank, und wir alle sollten etwas tun, um sie zu heilen, indem wir die Echtheit wieder- entdecken. Wir sollten uns be- mühen, menschliche Beziehun- gen in ihrer ganzen Schönheit, Einfachheit und Wahrheit wie- derzuentdecken. Wir haben die Pflicht, die Welt zu einem besseren Ort zu machen, ihre Schönheit, Authentizität und die Natur, die alles erschafft und umgibt, wiederzuentdecken. Mit 114 Konzerten auf drei Kontinenten führte Sie die World Wide Live Tour im Jahr 2023 in 36 Länder und 90 Städte. In 17 Monaten haben Sie mehr als 500.000 Kilometer zurückgelegt. Wie fühlen Sie sich nach solch einer gigantischen Tournee? Zucchero: Die Müdigkeit nach solche einer großen Tournee wird durch die Herzlichkeit auf- gewogen, die mir das Publikum auf der ganzen Welt entge- genbringt. Wenn ich von einer Tournee zurückkehre, verbringe ich normalerweise ein paar Wochen auf meinem Landgut in Lunigiana, aber dann fange ich an, mich zu langweilen, und der Wunsch, wieder rauszuge- hen, wird immer stärker. Eine Welttournee ist sicher- lich anstrengend, aber ist sie für Sie auch eine Gelegen- heit, spirituell oder künstle- risch zu wachsen? Zucchero: Tourneen sind für mich unverzichtbar, ich bin Mu- siker und finde Erfüllung, wenn ich auf der Bühne stehe. In den ersten Jahren meiner Kar- riere hatte ich weniger Selbst- vertrauen, und Angstzustände raubten mir viel Energie, bevor ich auf die Bühne oder auf Tournee ging. Nachdem ich viel daran gearbeitet habe, kann ich jetzt dem Publikum und den Tourneen mit weniger Angst und mehr Weisheit be- gegnen und habe daher mehr Spaß. ➀

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