piste Lübeck 02/2021

PISTE.DE 015 Die Netflix-Miniserie um eine geniale Schachspielerin ist in 63 Ländern auf Platz 1 der beliebtesten Netflix-Werke. Das hat Auswirkungen auf den Spielehandel... Spieleverlage verkaufen seit der Erstaus- strahlung der Netflix-Erfolgsserie bis zu 1.000 Prozent mehr Schachbretter. Bereits wenige Tage, nach dem die Serie rund um die Schachspielerin Elizabeth Beth Harmon dem Publikum zugänglich war, gingen die Suchanfragen bei Google & Co. durch die Decke. Noch nie suchten so viele Menschen auf Google nach Schachbrettern, wie im Dezember 2020. Seinerzeit notierte der Google-Trend-Score, welcher das rela- tive Suchvolumen angibt, auf dem Höchstwert von 100. Dabei ist die Euphorie keineswegs verpufft, im Gegen- teil. Die Erstausstrahlung erfolgte am 23. Oktober des zurückliegenden Jahres, doch die Auswirkungen auf den Handel sind immer noch spürbar. NETFLIX DAMENGAMBIT VERKAUFT SCHACHBRETTER 0 7 Es gab eine Zeit, da waren die Lifestyle- und Frauenzeitschriften voll von guten Ratschlägen, wie man sich von dem stressigen Businessalltag erholen könne. Mein persönlicher Favorit war der Tipp, mal zwei Wochen in einem Kloster zu verbringen... Irgendwo in Bayern solle es ja noch Klöster geben. Oder sonst einfach ab nach Griechen- land oder Myanmar. Kein Handy, kein Social Media, kein nerviger Chef, keine Aktienkurse. Einfach mal zu sich selbst finden, mal schauen, was man sonst noch so sein kann, abgesehen von einer hocheffizienten Fachkraft mit fancy Skills. Jetzt ist das Kloster zu uns gekommen. Mit Covid 19 kamen Kontaktverbot, Quarantäne, Homeof- fice. Jetzt ist die Gelegenheit da, sich auf sich selbst zu besinnen. Nur ganz enge Freunde tref- fen, wenn überhaupt. Sich auf Sachen konzentrie- ren, die einem Freude bereiten. Bei mir zu Hause warten zum Beispiel noch ein paar tausend Sei- ten Belletristik darauf, gelesen zu werden. Man könnte auch seine Kochkünste verfeinern. Oder endlich mal das Kamasutra mit seiner Liebsten Step by Step durchgehen. Aber der Mensch ist nun mal ein Herdentier. Er ist nicht fürs Alleinsein gemacht und Einsamkeit im Allgemeinen und das Kloster im Speziellen sind nur für wenige unter uns attraktiv. „Das Leben ohne Selbsterforschung ist es nicht wert, gelebt zu werden“, meinte Sokrates. Und so ist die aktu- elle Situation für uns vielleicht eine Möglichkeit zu erkennen, aus welchem Holz wir geschnitzt sind. Ob wir zur Kontemplation überhaupt fähig sind. Oder ob wir – in ferner Zeit wenn wieder alles gut ist – statt eine Reise ins Kloster zu buchen, doch lieber etwas zusammen mit seinen Freun- den unternimmt…/ rf MY PERSONAL Kloster 5 6

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