piste Lübeck 12/2017
PORTRAIT 012 PISTE.DE Küstenkind, engagierte Schwimmerin mit Ideen für eine bessere Sportpolitik – mit der Heimat im Herzen EINE LANGE KURZSTRECKE SANDRA VÖLKER: VON DER OSTSEE IN DIE SCHWIMMBECKEN DER WELT Einmal in der Woche ging‘s damals beim VfL Bad Schwartau ins Was- ser. Und später beim SC Delphin wurde daraus eine Stunde pro Tag. Da war sie zwölf. Ein Jahr später standen die deutschen Jahresmeis- terschaften an – und sie errang den zweiten Platz. „Die erste hatte ein heftiges Trainingsprogramm hinter sich, wenn ich da mit vergleichbar wenig Aufwand gewonnen hätte, wäre das für sie schon frustrierend gewesen“, lacht Sandra Völker. Mit einigen Startschwierigkeiten begann dann eine Karriere, die sie fast hätte abheben lassen: „Mit 22 gewann ich alles, da hätte ich bei- nahe den Boden unter den Füßen verloren.“ Dass es nicht so gekom- men war, verdankt sie rückblickend ihrem bodenständigen Elternhaus. Und trotzdem waren es große Erleb- nisse damals: Atlanta 1996 oder die Weltmeis- terschaft über 50 Meter in Monaco. „Da haben wir wie die Boxer eine Ansage gemacht: Das ge- winne ich“ – schon ziemlich riskant. Kurz danach wurde sie vom ZDF mit dem Privatjet eingeflogen, das Leben war fast irreal: „Mir war damals aber immer klar, dass mein normales Leben anders ist.“ Nach der Geburt ihres ersten Kin- des startete sie noch einen Versuch, als Leistungssportlerin weiterzu- machen, merkte aber, „dass ich mit meinen Konkurrentinnen lieber einen Kaffee trinken wollte als sie zu besiegen.“ Den Abschied konn- te sie selbst wählen: „Ich war nicht krank, ich hatte keine Verletzung – ein gutes Gefühl.“ Und danach hat- te sie erst einmal die Nase voll vom Schwimmen. „In der Therme auf der Poolnudel treibend – das konnte ich mir da gut vorstellen…“ Irgendwann fragte sie eine Mutter, ob sie ihren Söhnen nicht Kraulen beibringen könnte. Aus dem Ne- benher wurde nach und nach eine Beschäftigung, der sie nachgeht, wenn sie sie auch nicht ernähren kann. Dabei hätte sie noch die eine oder andere Idee: „In meiner Fa- milie gibt es eine kreative Ader. Auch wenn ich wirklich nicht zeichnen kann, hab ich doch ein gutes Gefühl für Farben.“ Rhythmus und Melodie sind ein anderes Faible von ihr: „Musicalstar wä- re echt eine Alternative gewesen“, lacht sie. Auf jeden Fall ist sie in ihrer geliebten Heimat: An der Ostsee, die am Anfang ihrer Karriere stand. Die dumme Frage am Anfang: Wie kommt eine Sandra Völker eigentlich zum Schwimmen? Die Ant- wort dagegen ist überraschend: „Ich bin als Kind fast in der Ostsee ertrunken. Da haben meine Eltern gesagt: Jetzt lernt sie schwimmen.“ Aus dieser elter- lichen Sorge ist eine der großen Schwimmerkarrie- ren in Deutschland geworden – und begonnen hat sie hier: In Bad Schwartau und in Lübeck. Inhalt enthält Werbung | Fotos: gg, orell füssli, welt, shutterstock
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