piste Hamburg 07/2018
010 PISTE.DE CITY NEWS | PISTE PERSÖNLICH András Siebold ist der künstlerische Leiter des Internationalen Sommerfestivals vom 8. bis zum 26. August auf Kampnagel, im Kunstverein, in der Elbphilharmonie und sogar in der St. Gertrud Kirche. DAS SOMMERFESTIVAL ZEIGT TANZ, THEATER, PERFORMANCE SOWIE BILDENDE KUNST, CLUBABENDE UND KONZERTE. FÜHLST DU DICH IN EINEM GENRE BESONDERS ZU HAUSE? Ich habe mich schon immer dafür interessiert, unterschiedliche Kunstformen zusammenzubringen. Ich habe angefangen mit Dramaturgien für Regis- seure wie Jan Bosse oder Stefan Bachmann, habe das aber immer mit Arbeiten in der Bildenden Kunst verbunden und war zum Beispiel in Berlin für eine Galerie tätig oder auch mal ein Jahr für Robert Wilson. DAS HEISST, DU WARST UND BIST EIN GRENZGÄNGER IN SACHEN KUNST… Ja, irgendwann habe ich vier Jahre Operndramaturgie an der Staatsoper Unter den Linden bei Barenboim gemacht, weil dies das absurdeste Ange- bot war, was ich damals bekam und ich eigentlich gar nicht „nein“ sagen konnte. Oper war so ziemlich das Letzte, an was ich gedacht hatte und darum erschien es mir wohl so interessant. WIE BIST DU AUF KAMPNAGEL GELANDET? Amelie Deuflhard hatte mich 2007 gefragt, ob ich mit nach Hamburg kommen würde. Ich war da erst fünf Jahre lang leitender Dramaturg. Inzwi- schen mache ich seit fünf Jahren das Sommerfestival. WO JA AUCH DIE UNTERSCHIEDLICHEN KUNSTFORMEN ZUSAM- MENKOMMEN… Ja genau. Das Sommerfestival ist der Versuch, ein interdisziplinäres Festival zu machen, bei dem alle Genres gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Deshalb gibt es sehr viele Verbindungslinien in dem Programm. Konzerte ergänzen Theaterabende. Clubabende die mit Tanzshows zu tun haben und es gibt viele Produktionen, die ihre Impulse aus dem Zusammentreffen von unterschiedlichen Medien ziehen. WAS IST FÜR DICH DAS HAUPTZIEL, WENN DU SO EIN PROGRAMM KURATIERST? Die Idee ist ein anspruchsvolles und auch radikales Festival zu machen, mit Programmpunkten, die man sonst so nicht sieht. Gleichzeitig haben wir eine ganz große Offenheit und sind im Prinzip das Gegenteil eines elitären Festivals. Das merkt man jedes Jahr, wenn man hierherkommt. Wir spre- chen mit dem Programm eine breite Menge der Hamburger Stadtgesell- schaft an – vom Schanzenaktivisten bis zum Reeder. ICH PERSÖNLICH LIEBE JA IMMER DEN GARTEN … Ja, der Garten ist ein Ort zu dem jeder hinkommen kann. Das ist gleicher- maßen ein Biergarten und ein Kunstpark – so eine Art Disneyland für Erwachsene. Da gibt es ein Spielkasino, Installationen und immer mal wieder ein Konzert. Man kann natürlich auch einfach dasitzen und in die Atmosphäre eintauchen. GIBT ES IN DIESEM JAHR ETWAS, WAS DIE VIELEN PRODUKTIONEN VERBINDET? Wir versuchen bei vielen Abenden, Hochkultur mit Subkultur zusammen zu denken. Wayne McGregor zum Beispiel ist Chefchoreograf beim Royal Ballett London, hat aber auch für Harry Potter-Filme Choreografien gemacht. Mit seiner eigenen Kompanie macht er Arbeiten, die aus dem klassischen Ballett kommen, es aber abstrahieren. In „Autobiographie“ hat er mit der Musikerin Jlin zusammengearbeitet, die sonst im Elektro zu Hause ist. KLASSISCHES BALLETT TRIFFT ALSO AUF CLUBKULTUR … Genau und das gelingt zum Beispiel auch Gisèle Vienne, einer der größ- ten europäischen Choreografinnen. Die seziert eine Clubnacht. Man sieht da 17 jungen Menschen beim ekstatischen Tanzen zu Techno-Klassikern, allerdings bewegen sich alle in Slow-Motion. Das ist technisch total irre und erzählt außerdem lauter Geschichten zwischen den Tanzenden. SPEKTAKULÄR SEHEN JA AUCH DIE BILDER VON STREB EXTREME ACTION AUS… Elizabeth Streb ist eine Amerikanerin die inzwischen fast 70 Jahre alt ist und aus der Postmodern Dance-Szene kommt. Sie hat die ganze Entwick- lung der Tanz-Avantgarde mit Stuntshow-Elementen und modernen Zirkus verbunden. Ich habe noch nie eine Arbeit gesehen, die so unterhaltsam zwei Welten zusammenbringt. Da kann man mit seinen Kids genauso hin- gehen, wie mit Freunden die auf zeitgenössischen Tanz stehen. Elizabeth Streb nennt ihre Tänzer auch Extreme Action Heroes, die Arbeit heißt „Singular Extreme Actions“. GIBT ES DENN ETWAS, AUF DAS DU DICH BESONDERS FREUST? Sehr besonders wird schon die Eröffnung, eine Welturaufführung und Eigenproduktion, da ist man natürlich auch ein bisschen nervös. Und zwar mit der Malpaso Dance Company aus Kuba, die noch nie in Europa war. Die hat sich 2012 gegründet, um den kubanischen Tanz in die Zukunft zu führen und zeigt bei uns drei verschiedene Stück an einem Abend. „Indo- mitable Waltz“ ist von der Choreografin Aszure Barton, die gerade auch mit dem Ballett der Mailänder Scala gearbeitet hat. Das zweite Stück ist von Osnel Delgado, dem Hauschoreografen der Kompanie. Er erzählt von 24-Stunden auf den Straßen Havannas - und das live begleitet vom 6-fachen Grammy-Preisträger Arturo O‘Farrill. Letzterer spielt auch einen Abend in der Elbphilharmonie, ein Beispiel für die Querverweise im Pro- gramm. Für den dritten Teil haben wir die Choreografin Cecilia Bengolea nach Havanna geschickt. Das Stück ist gerade noch am Entstehen, wird aber auch laut und wild den Schritt vom Ballett in die Popkultur gehen. ANDRÁS SIEBOLD IM INTERVIEW © Ute Laukner
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