PISTE.DE
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INTERVIEW
I
kult
ur
clueso.de
War Sänger zu werden
schon immer ein Kindheits-
traum von Dir?
Scheinbar ja, ich erinnere mich,
wie ich damals ein Freundebuch
(bei uns hieß es übrigens Krüm-
melbuch) hatte, in das ich als
Berufswunsch Kranführer, Musi-
ker oder Rockstar eingetragen
habe. Und meine Eltern haben
mich damals, weil ich so hyperak-
tiv war, zum Gitarrenunterricht
geschickt, in der Hoffnung, es
bringt was. Aber da hatte ich
immer Bauchschmerzen und war
eher zum Milch trinken und Keks
essen dort und bin von dort dann
lieber eine Straße weiter zu mei-
nem Opa gegangen, der mir die
ersten Akkorde beigebracht hat.
Und seit ich Gitarre spiele, habe
ich eher so Halbjahresträume,
die sich natürlich vergrößern.
Also kannst Du noch nicht
sagen, dass Du alles
erreicht hast in deinem
Musikerleben und dich
zurück lehnen möchtest?
Nein, auf keinen Fall. Wir haben
jetzt gerade ein eigenes Label
gegründet, „Text und Ton“ heißt
es, so wie meine erste Platte. Und
die Schwierigkeit besteht jetzt
darin, alles unter einen Hut zu
bringen – für das Label Zeit zu
haben, aber auch für die Musik.
Dann läuft ja alles recht gut
und es gibt kaum etwas zu
beklagen – hat denn
jemand wie Du da über-
haupt noch Sorgen?
Es ist vielleicht Jammern auf
hohem Niveau. Aber ich habe
auch eine gewisse Demut in mir.
Ich habe ja eine Lehre als Friseur
gemacht, die mir keinen Spaß
gemacht hat. Das lag mir nicht
und ich habe die Lehre abgebro-
chen. Die Musik ist da gewesen
und hat mich beflügelt. Und natür-
lich habe ich Sorgen, das zeigt
vielleicht der Song „Unter Strom“
auf meinem neuen Album, wo ich
versuche, zu zeigen, dass nachts
die Denkmaschine noch an ist,
man nicht abschalten kann und
weiß, dass man auch für andere
Verantwortung hat, die einen bei
der musikalischen Entwicklung
die ganze Zeit begleitet haben.
Wir haben gelesen, dass Du
eine Art „Burnout“ hattest.
Wie kam es dazu?
Normalerweise ist nach jedem
Album eine gewisse Ruhephase.
Doch die gab es beim letzten
Album nicht. Es war schon viel
Energie weg, bevor ich über-
haupt wieder anfangen konnte,
kreativ zu werden. Es war aber
kein direktes Burnout, eher eine
„blues“-ige Phase, ich hatte keine
Lust, die Gitarre in die Hand zu
nehmen, Musik machen war eher
ein Pflichtgefühl.
Nach dieser Phase ist trotz
allem dein neues Album
entstanden. Du sagst, es ist
ein neuer Clueso entstan-
den. Was unterscheidet
denn den alten von dem
neuen Clueso?
Gute Frage. Also der neue Clueso
der macht auch mal Pause. Der
Song „Stadtrandlichter“, so wie
auch mein neues Album heißt,
zeigt das vielleicht. Das Lied
beschäftigt sich mit dem Zuhause
sein. Und Stadtrandlichter
umschreiben bildlich ja auch den
Blick auf die Stadt von der Ferne;
so wie es mir jetzt gelingt, sich in
manchen Situationen raus zu zie-
hen und es mit Abstand zu
betrachten. Und natürlich habe
ich jetzt, mit 34, auch eine Vor-
stellung von der Endlichkeit. Erst
wenn man in die Vergangenheit
guckt, guckt man auch irgendwie
gleichzeitig in die Zukunft.
Im wahren Leben heißt Du
ja Thomas, aber was macht
denn den Künstler Clueso
aus und unterscheidet ihn
von deinem Ich?
Also es gibt zwischen dem Tho-
mas Hübner und dem Künstler
Clueso einen fließenden Über-
gang. Ich versuche immer so zu
sein wie ich bin, damit ich mich
dann nicht verstellen muss.
Was ist denn dein Image?
Ich bin wohl der Rockstar zum
Anfassen. Es passt am besten.
Ausprobiert habe ich schon,
unnahbar zu sein, aber das steht
mir nicht, das halte ich nicht
durch. Das bin ich nicht, ich gehe
gern in Situationen rein, das Kind
in mir möchte so sein wie ich bin,
kindlich naiv und nahbar.
Wo sind denn deine neuen
Songs entstanden?
Manche sind auf Reisen entstan-
den. „Galerie“ zum Beispiel hatte
ich im Backstage. Da haben wir
in einer großen Turnhalle gespielt
und mein Backstage war in den
Duschen, in der es so gehallt hat.
Und da habe ich meine Gitarre
genommen und der erste Zeile
lautet „Der Rummel ist vorbei, das
Licht im Treppenhaus geht aus“,
das hat mich an so ein Treppen-
haus erinnert – das war auf Tour.
Die meisten Texte sind auch in der
WG oder im Bandcamp entstan-
den. Bei „Freidrehen“ habe ich
versucht, einen ernsten Song zu
schreiben, aber die Musik hat
dann doch eher gesagt: mach
doch Party und dann ist daraus
eher ein Partysong geworden.
CLUESO
NEUES ALBUM “STADTRANDLICHTER”
Clueso, mit bürgerlichem
Namen Thomas Hübner,
ist seit Jahren nicht mehr
aus der deutschsprachigen
Musikszene wegzuden-
ken. Man kann ihn in
einem Atemzug mit Gröne-
meyer, Lindenberg oder
Niedecken nennen, mit
denen er auch bereits
erfolgreich zusammen
gearbeitet hat. Nach einer
Kreativpause erscheint
nun sein neues Album
„Stadtrandlichter“ und die
PISTE hatte die Gelegen-
heit, mit ihm über sein
neues Album zu sprechen