046
PISTE.DE
night
life
|
CLUB NEWS
KOLUMNE
GORDON HOLLENGA
PISTE
Vor ein paar Monaten hast du dei-
ne neue Platte „Exit City“ veröffentlicht.
Was ist seither passiert?
SIMINA
Oh, vieles ist passiert in den
letzten Monaten. Zufälligerweise wurde
Exit City genau am Tag unserer Hochzeit
veröffentlicht. Selbstverständlich war ich
bereit auf Tour zu gehen, aber nicht ohne
vorher mit meinem Liebsten in die Flitter-
wochen zu fahren. Außerdem haben wir
ein Haus gekauft und sind eingezogen,
ich war im Dezember mit Paul auf Asien-
Tournee, wir spielten in Tokio, Melbourne
und Sydney. Vor kurzem habe ich ange-
fangen, an meinem zweiten Album zu ar-
beiten, dass ich hoffentlich Ende diesen
oder Anfang nächsten Jahres rausbringen
werde, und jetzt im März freue ich mich
auf die Remix-Veröffentlichung meiner
Single Kokopelli feat. MAMA, mit Versio-
nen von Paul Kalkbrenner und Pan-Pot.
PISTE
Gibt es Pläne für ein zweites Al-
bum?
SIMINA
Absolut! Ich habe schon damit
angefangen, meine Ideen zusammen zu
sammeln. Ich bin noch in der Anfangs-
phase der zweiten Platte, aber ich denke
es wird etwas einfacher und schneller ge-
hen als die erste, denn ich bin jetzt nach
Exit City überzeugter von meinem Schaf-
fen. Ich habe keinen Zeitplan, ich bin
noch im Findungsprozess. Ich lasse mir
gerne Zeit damit und ich habe immer wie-
der neue Ideen, wenn ich meine Arbeit für
ein paar Wochen ruhen lasse und dann
weitermache. Manchmal ändert sich die
Dynamik radikal. Also, mache ich lang-
sam.
PISTE
Erzähl mal, wie bist du zu Dance
Music gekommen?
SIMINA
Ich hatte schon mein ganzes Le-
ben lang mit Dance zu tun. Seit ich in der
vierten Klasse zu C&C Music Factory und
Jam and Spoon, The Prodigy und solchen
Sachen getanzt habe. Dann kam meine
erste Club-Erfahrung im Urlaub in Rumä-
nien als ich zwölf war, dann Raves in To-
ronto in den 90ern. Während dem Studi-
um nahm ich eine Auszeit vom Clubbing,
aber als ich meinen Abschluss hatte und
begann, im Bereich Druck und Werbung
zu arbeiten, jobbte ich nebenbei amWo-
chenende als Barkeeperin. So kam ich zu-
rück in die Szene, merkte aber schnell,
dass ich hinter den Decks und nicht hin-
term Tresen stehen will. Ich spielte zuhau-
se und wurde besser, aber erst in Berlin
habe ich mich komplett der Musik gewid-
met, sie erschaffen und gespielt. Die
Wahrheit ist, das war schon immer Teil
meines Lebens. Ich bin einfach glücklich,
mit einem leidenschaftlichen Hobby mein
Geld zu verdienen.
SIMINA
GRIGORIU
„
ICH MACHE EINFACH MEIN DING.“
PISTE
Im Februar und März bist du als
Support mit Paul Kalkbrenner auf Tour, au-
ßerdem hat er deine Single „Kokopelli (fe-
at. Mama)“ geremixt. Wie habt ihr euch
kennengelernt und wie war es, mit ihm zu
arbeiten?
SIMINA
Außer, dass wir ein paar Mal
im Jahr zusammen auf Tour sind, arbeiten
Paul und ich nicht wirklich zusammen.
Wir arbeiten nebeneinander. Wir spielen
die Tour zusammen, aber gehen trotzdem
musikalisch unsere eigenen Wege. Bei
Remixes möchte ich dem Künstler kom-
plette kreative Freiheit lassen, besonders
wenn ich den Künstler so sehr respektiere.
Dieser Track wurde auch von Pan-Pot ge-
remixt, ich war nicht imGeringsten in den
Prozess involviert. Ich stelle einfach die
bloße Basis zur Verfügung und sie erzeu-
gen die Magie. Ein echter Remix. Das ist
ziemlich großartig.
PISTE
Du arbeitest als DJane in einer von
Männern dominierten Branche. War es
schwer, sich zu etablieren?
SIMINA
Ja und nein. Ehrlich gesagt den-
ke ich nicht mehr darüber nach. Ich ma-
che einfach mein Ding. Wenn ich gute
Musik spiele und meine Sache gut mache
ist dieser Aspekt irrelevant. Aber ja, es
kann schwierig sein, denn ich reagiere
empfindlich wenn Leute auf die Bühne
grapschen und versuchen, sich lächerli-
che Musik zu wünschen, während ich nur
meinen Job mache. Ich muss dann locker
bleiben und entschuldigend verneinen.
Generell habe ich aber keine Probleme
auf der Bühne. Es geht um die Energie
und die meisten Leute sind ganz cool und
einfach für die Musik gekommen.
PISTE
Dies wird nicht dein erster Gig im
Blankenese Kiez Internat. Was ist so be-
sonders an diesem Club und was haben
die Leser von deinem Auftritt zu erwarten?
SIMINA
Ich habe schon viele, viele Ma-
le im BKI gespielt. Ich mag den Club, weil
er echte Fans hat. Sie kommen für die Mu-
sik. Dazu kommt, dass es der einzige
Club im Bereich Reeperbahn ist, der die-
se Art von Musik präsentiert – zumindest
soweit ich weiß. Das ist ein Underground
Club inmitten von totalem Kommerz. Ich
mag dass er sich treu bleibt.
SIMINAGRIGORIU.COM
Die Winterpause ist vorbei! Die Disco Boys sind wie-
der unterwegs, um die Clubs mit feiner Musik zu be-
schallen. Los ging es im Hamburger Uebel & Gefäh-
rich, einen Abend später standen wir schon in der
Estate Clubdisco in der Wiener Neustadt an den
Decks.
In Hamburg das gewohnte Bild: Um Mitternacht war
die Tanzfläche voll, und es ging ab bis zum Morgen-
grauen. In Österreich ge-
schah dann etwas, was wir
so noch nie erlebt haben:
Die Leute mieden die Tanz-
fläche. Links in einer Sit-
zecke (!) wurde zwar fröh-
lich mitgewippt. Rechts auf
dem Tresen stand eine Rei-
he Jungs (!!) und erinnerte
an die besten Szenen aus
"
Coyote Ugly". Nur auf
der dafür vorgesehenen
Fläche direkt vor uns pas-
sierte
wenig
bis
Nichts. An den Rändern
der sog. "Tanzfläche"
standen Gruppen von
Mädchen, die allesamt in
ihre Smartphones vertieft
waren. Was machen die
da? Texten statt Reden?
Mit "Shazam" das DJ-Set
taggen? Oder gibt es ei-
ne App, auf der man die
Security-Cams sehen kann, die uns im Büro des Clubs
vorm Auflegen so viel Spaß bereitet haben? Wir wer-
den es nie herausfinden. Einigermaßen ratlos spielten
wir unser Set zu Ende.
Ohne spießig klingen zu wollen: Im Nachtleben sollte
ein Smartphone Verbot eingeführt werden. Ähnlich
wie Raucher treffen sich dann die in einer stillen Ecke,
die lieber ihr Handy in den Händen halten, anstatt die-
se zum Sound der Musik in die Luft zu werfen. Auch
bei Konzerten werden die Geräte vorab eingesam-
melt. Früher war es bei Strafe verboten, einen Fotoap-
parat in die Halle zu schmuggeln. Heute interessiert es
niemanden, dass die Leute ein ganzes Video- und Mu-
sikaufnahmestudio in ihrer Hosentasche tragen. Kaum
betritt der Künstler die Bühne, sieht es aus den hinteren
Reihen aus, als schwebten plötzlich hunderte kleine
Fernseher im Raum. Es wird gefilmt, was der Speicher-
platz hergibt. Nur: Wer guckt sich die verwackelten
Minuten-Mitschnitte jemals an?
Unser Leben wird mehr und mehr von diesen kleinen
Zeiträubern bestimmt. Wir sind allesamt Technik-Jun-
kies und hängen am Touchsreen statt der Nadel. Ich
will mich da nicht ausschließen, werde aber zukünftig
mit gutem Beispiel vorangehen: Wenn ich Tanzen
will, dann tanze ich. Die SMS von heute Nacht kann
ich morgen nach dem Aufwachen beantworten - in-
haltlich weniger peinlich und ohne Rechtschreibfehler.
Erreichbar sein ist sicher gut, es aber auch mal nicht
zu sein, ist Luxus. Im Uebel & Gefährlich regelt sich
das Handy Drama von selbst: Auf der Tanzfläche ist
kein Empfang. Ob die Parties dort deshalb die besten
sind?
Herzlichst,
Gordon
(
c) Svea Ingwersen
MOIN NACHTSCHWÄRMER!